Die Wegschad (Prosa)

Die Huebn haßt beim „Wegschader“. Es lafn durt zwa Weg auseiander. Der ane führt schnurgrad in Wald eichn, quert in Mühlbach und zagglt in Grabn entlang, bis er in der Alm is. Er is mehr stanig und hat a paar Bockbichl, dö di zen Schwitzn bringen.

Da andere Weg waß zerst nit recht, wohin er soll, er schlenkert durch die Felder, als wöllet er lei a bißl umaschaugn. Aber wie er hinter an klan Bichelen vorbei is und es Wirtshaus dasieht ziecht er pfeilgrad drauf zue, und just vor da Wirtshaustür valaft er in da bratn Straßn, dö ins Stadtl eichnführt.

Die Wegschaderleut sein a bißl eign. Se brauchn zerst an Rempler, bis se in Schwung kömmen. Aber seind se amal aufn Weg, kannst se nit leicht mehr aufhaltn.

Anige von sönen seind mehr in Waldweg gangen, die andern mehr in Talweg und öttlerne haben se überhaupt nie entscheidn kinnen. Dö seind aufn Bankl beim Wegkreuz sitzn gebliebn und wieder zruck ins Haus gangen. Sö haben mitn Älterwerdn inwendige  Augn gkrieg, seind mast ledig gebliebn, und immer amal, wenn grad aner von de „Lafer“ Bauer is gwesn, haben se Haus und Hof zammghaltn.

Da hietzige Wegschader is a „Inwendiger“. Seit a zwanzg Jahr is er kaum mehr ausm Hausgartl ausakömmen. Schoen wann er ins Dorf eichngeht, is ihm, als gang er in die Frömen.

Er hat sein Hof recht ordentlich beinander, aber er kimmt nit mit der Zeit mit: Beim Viech ka rechte Raß, es Zeug veraltet, is ka Schwung aufn Hof, alls kriecht lei so dahin. Und er kann se nit aufrappln zen Übergebn.

Die badn Söhn seind „Lafer“. Da ältere, da Karl, geht in Waldweg. In aller Früeh di Büchsn über die Achsl, aufn in Wald. Und wann er a Wild sieht, mueß gschossn sein. Seine Augn brinnen. Er hat se nit in da Hand, und die Leut weichn ihm gern aus, wann er daherkimmt.

Da Jüngere, da Hans, is recht flink bei da Arbeit, a Zammreißer, wie man sagt. – Aber mittn im Arbeitn schmeißt er gach amal weck, was er in die Händ hat, ziecht es Sunntaggwand an und schlangglt in Feldweg ausn zen Wirtshaus.

Nit, daß er a Saufer war, aber er sitzt und sitzt, singt und diskutiert, Leut müessn um ihn sein, und wenn er beim Wegwirt kane findet, geht er weiter ins Stadtl eichn. – A bei ihm kinnen die Augn brinnen. Noacha is Feuer aufn Dach! Noacher stabts.

Die Bäurin liegt schuen lang aufn Friedhof draußn, a „Inwendige“, a Schwester vom Bauern, dö nit gheiratet hat, führt die Wirtschaft.

Da Hans sagt: „Was soll i daham! Kaner bei uns macht es Maul auf, a jeder sinniert in sich eichn, es is zen Sterbn hergrichtet.“

Aber döna will er nit furt von daham. Es Haus is so brat hinglagert, da acherne Tisch in da Stubn blitzsauber, und in da Nacht krachn die schwarn Holztram, es Haus redet mit dir, du kannst nit weck von ihm.

Und außerdem is noch nit ausgmacht, wer Bauer wird, das waß man beim Vater nie!

*

Da Wegschaderhof is a alter Freibauernhof, und über da groaßn rundbogign Haustür is es Dopplfenster.

Gehste durchs Tor ins Haus, stehst de zerst in da groaßn Labn, und a alter Lärchnbodn kratscht unter deine Füeß. Er is schoen hisch abgetretn, und die banhirtn Astknöpf machen a wellige Hügllandschaft draus. War niemmer guet tanzn drauf. – Aber wer wird denn schuen tanzn beim Wegschader! Und Kinda siefln a kane drauf uma, so kann se kaner an Spieß einziechn.

A schwars Gwölb hängt drüber und a jeds Jahr vorn Kirchtag weißts da Wegschader mit Kalch aus, so daß es Licht, das durchs klane Fenster eichablecketzt, an helln Widerschein hat. Und wenn es Haustor offn is, blüehn di Roasn und Federnagl auf die Trugnen und Kastn, dö brat bei da Wand lahnen, farben auf. – Sunst is a weite Laarn drin, dö lei amal im Jahr – beim Türggnfiedern – voll werd.

In die tiefn Türnischn huckt in ganzn Tag die Finster. Von da Labn kimmst de in die Kuchl und von der wieder ins Gwölb, wo die Speckseitn hängen und alls andere, was die Bäurin zen Kochn bei die Händ haben mueß.

A Tür lasst di in die Stubn eichn, a andere ins Stübele und a dritte in die Leutstubn, dö hietz laar is. – Früeher amal is da drin wohl a Lebn gwesn. Drei Knecht, vier Mentscher, da Almhalter, die Senndin und a Bue seind da beim langen Tisch gsessn, und zabndsta habn die Spinnradlen gschnurrt, die Knecht haben es Zeug gflickt, und a Fotzhobl hat gjodlt oder gar a Ziehharmoni dazwischngschnarcht. Das is hietz aus! A alter Knecht is no da, der mehr oder minder aufs Wecksterbn wartet, und a Mentschin, bei ders im Oberstöckl lei mehr finster is und dö mit de Fackn und Küeh mehr redet wie mit die Leut …

Essn tuen hietz alle zamm in da Stubn. Die Tant Anna, in Bauer sei Schwester, dö die Wirtschaft führt, jammert zwar: „Zwas haben ma denn in groaßn Kuchltisch! – Mueßt es ganze Essn über die Labn tragn.“ Aber beim Wegschader rinnt das ganze Gsurm lei oachn. Es wird weiterhin in da Stubn gessn, wies alleweil gwesn is, wie die Wegschader noch halbete Herrnleut gwesn seind.

Da groaße, grüengekachlte Bachofn, der von da Labn aus ghazt wird, steht halbet in da Stubn und halbet in da Leutstubn. Noch alleweil hazt er im Winter bade Stubnen. Hat schuen viel Wörtlerei deretwegn gebn. „Die laare Leutstubn hazn!“ spöttlt da Hans. „Sein ma bei die Schildbürger daham? – Reiß man ausa und stelln an elektrischn Bachofn in die Kuchl, dö is e a Tanzsaal, is gnueg Platz durt!“ – Aber da Vater bleibt stur. „I will mei Broat vom altn Bachofn haben. Dö Buechnscheiter dafür klieb i e selber auf!“ – Zornig legt er sein Löffl weck, er hat schuen gessn, wann über sein altn Bachofn gspöttlt werd. – Wann i amal niemmer bin, kinnt dös tuen, was enk passt, hietz bleibt er noch“!

*

A brate ausgetretene Stiegn bringt di in Oberstock, wo da Vorraum a groaßmächtiger Saal is, und runduma seind die Schlafkammern. Es Liecht fallt brat durchs groaße Dopplfenster in Saal eicha, in da Mittn stehn drei lange Achntisch beinander mit schware Bänk uma. Jahraus-jahrein wird die Tafl niemmer aufgedeckt, und es trauert a groaße Valassnheit um dö laarn Bänk. Nebn da Anricht hängen noch a paar mächtige kupferne Schöpfpfannen, und da Hans putzt se a paar Mal im Jahr, „damit wenigstns eppas glanzt in derer grausign Valassnheit“, wie er sagt.

Die Kirchtagladerei, die Hoasetn und die Tafn im Haus haben schuen lang aufghört, lei da Hans setzt se im Summer oft amal mit da Ziehharmoni aufn, „lei, weils so schien hallt!“ Tief drin in sein Herzn tuets ihm lad, daß da Saal hietz a so unnutz is. War er öfters voller Leut, brauchet er nit ins Gasthaus lafn, wo er dö bierflecketn Tisch e nit mag. In ihm is halt noch a bißl alts Herrntum, das Leut um sich braucht, und amal von Zeit zu Zeit a tolls Essn und a Rausch derf a dabei sein, daß de aus dir ausasteign kannst wie a Erzengl!

Ja, und in da Winternacht, wann da Monet banhirt aufn Schnee liegt, is oft da ältere Sohn, da Karl, im Saal. Er hat an Stuehl vors hintere Finster gruckt, durt sitzt er mit Filzstiefl auf die Füeß und an zottetn Schafpelz über die Schultern. „Wie da Spitzbartl“, denkt se da Hans. A Fensterflügl is offn, und da Gwehrlauf glanzt in Monet ausn. Da Karl tuet da Fuchspassn. Hintern Haus is da Krautgartn und danebn da Hehnderstall. Hisch anige Füchspelz  hat er se so schuen dagattert und dann e wann an Hasn, der bei die Krautstrünk gnaget hat.

Wann er so durtsitzt, a schwarzer Haufn im eichfallndn Monetliecht und da Gwahrlauf blitzt, kimmts in Hans für, die Zeit war aus die Fugn gekracht, es kinnet nit wahr sein, daß ma im zwanzigstn Jahrhundert leben, und wann gar a Schuß mit wildn Hall in die Nacht ausn pöllert,

fahrt er ausn Schlaf und mant im Augnblick, Rauber oder Kriegsleut warn umers Haus!

Aber er sagt nix zu sein anschichtign Brueder, denn dö zwa mögn se, obwohl se wie Feuer und Wasser seind. Lei gach amal, bei irgend an Wörtl, da zischts zwischn sönen auf, da bricht was aus sönere Herzn ausa, a blanker Haß, den se selber nit wölln und der sönen wie a finstere Höll vürkimmt. – Sö druckns oachn und kaner mirkts und a jeder tuet in andern danach a klane Freundlichkeit. Da Hans sagt epper: „Wer i heunt füettern, geh lei auf die Abndpirsch, Karl!“ – und er holt wieder amal den Traktor aus der Remissn, weil er siecht, wie da Brueder heunt ruehlos umananderschaugt. – „Laf lei, wer wohl i die Quendlwiesn mahn!“

Soweit war alls in bester Ordnung zwischn sönen. Aber bade seind so in da Angst, daß es amal wider Willn ganz gfahlt ganget zwischn sönen. –

Bsunders der Karl, der ja oft in Waldweg geht, is in Sorg. Wo da Weg nach an stücklen Bichl

in Grabn eichnbiegt, da bricht a hoache Wand glei nebn en Weg gach in Grabn oachn, und da stehn zwa Marterlen. Bade geltn für die Wegschaderleut.

Aufn an siechst, wie in aner Winterlandschaft a Heureißl übern Weg ausnschießt. Der Mensch, ders weist, ruedert mit Händ und Füeß in da Luft. Drunter steht:

                    Da drunten lieget der Kunrad Wegschader, Bauer allhier.

                    Versagt hat ihm beim Heuziehen die Spier.

                    Hietz liegt er unten,

                    kunnt nit mehr gsunden.

Söttene Marterlen stehn überall in die Berg, is nix Bsunderes, der Fall. Aber es zweite Marterle bringt in Karl alleweil zen Nachdenkn. Da is die gleiche Gegend abgmalt, aber es is Nacht, und da Monet scheint. Von der Wegkantn weckgstoaßn, fliegt a Jager durch die Luft, kirzngrad in die Schlucht oachn, und dahinter steht mit gspreizte Füeß a zotteter, schwarzer Gamsbock mit glüehende Augn. Du gspürst fast den Rempler, mit dem er in Jager in die Tiefn gstoaßn hat. Drunter steht gschriebn: Da druntn ruhet der Sepp Wegschader, der Herr gibt ihm Frieden! Und noacher noch der seltsame Spruch:

                    O Brueder mein, drei Vaterunser bet,

                    weils Leben in die Abgründ geht.

                    Es lebet wohl in jedem Tschock,

                    a rabenschwarzer, schiecher Bock!

Das is wahrlich a höchst seltsamer Marterlspruch. Und ob de willst oder nit, du mueßt drüber nachdenkn, wer epper wohl da schwarze Bock gwesn sein kunnt, der im Tschock glebt hat!  –

Und wenn da Karl auf das gache Aufbrinnen zwischn ihm und sein Brueder denkt, werd ihm ganz schlecht, denn so ähnlich kinnet die Gschicht mitn Sepp Wegschader wohl gwesn sein. –

Aber wie gsagt, es waß niemb mehr was Rechts über dö alte Gschicht.

Im November – die stillere Zeit aufn Hof hat grad angfangen – kimmt a Frömer zen Wegschader und will mitn Bauer redn. Du mirkst auf da Aussprach, er mueß ausn Tirolerischn kömmen. Da Bauer führt ihn in die Stubn. Die Tant Anna bringt an Speck und a Stamperle, da Fröme ißt und trinkt, sö redn nit viel dabei, es Wetter mueß herhabn, daß a dünns Fadnle daspunnen wird. Wie da Fröme mit da Jausn fertig ist und es zweite Stamperle eingegossn wird, fragt der Wegschader: „Um was geht’s?“ – Da Fröme schaugt noch a Weil in da Stubn uma. „I bin da Gamperer z`Eppan in Südtirol. Bei enk da is die Stueggerin amal Senndin gwesn?“ – Die Stueggerin, denkt da Wegschader. Wie de an Menschn so ganz und gar vagessn kannst! – Mit der hat da Vater  nach der Eh alse stanalter a Kind ghabt. – Er waß wohl davon, hat dazumal a grauslens Maulzerreißn gebn, und er hat se damisch gschamt, is ja er schuen gleim bei de Fufzg gwesn und da Vater die längste Weil schuen im Auszug! – Die Senndin is weck, bevor es Kind dagwesn is. Noacha hat da Vater in hintnghaltenen Wald ausgschlagn, in Mentsch a ordentliche Aussteuer gebn, und das hat in Eppan in Stuegger, an klan Beamtn gheiratet! – Soviel waß er von der Gschicht.

Und hietz sitzt da Gamperer aus Eppan in da Stubn und rührt in dö altn Gschichtn uma. – „Was is mit da Stueggerin“, fragt da Wegschader. „Is gstorbn“, sagt da Fröme. Und die Verena, dei Halbschwester, is hiez durt und hat kan Anghörign. – Was soll ma mit ihr? – Kann se ze enk? I bin da Vormund!“

Mei Halbschwester, denkt da Wegschader. – Nit zen glabn, daß i a söttene Halbschwester han! – „Wird so a achtzehn Jahr sein, mei Halbschwester!“ – „So is es“, mant da Gamperer. – Und i bin gleim bei die Siebzg!“ – Er schaugt in Frömen an, aber er schupft lei die Achsln. – „Die Wegschader haben noch kann von sönere Leut vakömmen glassn, wenn sös nit durchaus von selber gwöllt haben.“ – „So han i mas gedenkt“, pflichtet da Gamperer bei. – „Noacher werd dös se abholn?“ –

Weil da Bauer aber a Einwendiger is und nit weck will von daham und da Karl lieber in Waldweg laft, mueß da Hans nach Eppan, die Verena abholn. – Er is ordentle aufgregt. Er hat als zehnjahriger Bue wohl es hamliche Luspern im Haus ghört, und dö Senndin, a fests Weibsbild, hat er a gekennt. Ja, er kann se noch genau erinnern dran: Wie er im Summa amal in da Alm gwesn is, da seind se miteinander Arnika brockn gangen, zen Tinktur ansetzn. Und danach habn se auf an Bichl grastet. Die Senndin is über ihm gsessn, und da hat er gsehn, daß se kane Hosn anghabt hat unterm Kittl. Er waß das noch ganz genau, er hat se nit recht hinzeschaugn getraut, aber ob er wölln hat oder nit, alleweil hats sein Kopf durchngedraht, und da hat er es erste Mal in da Hosn drin was gspürt und es Überschnaufn is ihm hirt worn. – So eppes vagißt de dei Lebtag niemmer!

Und in Vater sei mulets Gsicht is ihm a noch in Erinnerung und da Muetter ihr Jammer. Und er sieht in Groaßvater noch, wie er zornig auf seiner Pfeifn ziecht, in Tisch eichnhaut und sagt: „Das is mei Gschicht“! –

Und hietz mueß er die Verena abholn, sei zehn Jahr jüngere Tant! Und alleweil, derweil er mit sönern Volkswagn durchs Pustatal eichn fahrt, siecht er zwa mächtige weiße Füeß unter an Kittl und kane Hosn dran. – „Teufl eichn“, ärgert er se. „I bin ja ka Lausbua mehr!“ Und noacher sinniert er: Ob das wohl guet gehen wird bei sönen daham mit der Verena!

*

Die Verena hat schon alls gepackt, wie er mitn Gamperer ins Haus kimmt. Wie er se siecht, wird ihm glei a bißl leichter. A schlanke, zierliche Person, dunkle Haar, die schwarzn Augnbrauen seind fast zammgwachsn über ihre blauen Augn, feine Händ und an guetn Handdruck. – Dö hat nix ze tuen mit de weißn Füeß untern Kittl. – Gott sei Dank!

Beim Hamfahrn redn se mitanander, es is eigentlich gar nit so ze mirkn, daß se se grad erst kennenglernt  haben. – Die Verena fragt, wies ausschaugt daham. „Daham“, sagt se, denkt da Hans, als wenn se schon lang ze sönen ghöret! Und wann des genau bedenkst, ghört se ja wohl ze sönen, seit Geburt an schon. – „Aber i wer halt a Fröme sein bei enk“, mant se und schaugt in Hans an. Der kann lei ab und zue an Blick durchntuen zen Dirndlen, die Straßn is reidig, mueßt aufpaßn. „No“, sagt er zruck, „werst nit lang a Fröme sein“. Und nach aner Weil: „So wie de ausschaugst und wie de bist!“ – Die Verena kriegt a klans Lachn ins Gsicht und sagt lei: „Manst de?“

Is a gspaßiger Winter worn es selbige Jahr beim Wegschader. Die Verena hat auf a ganz bsundere Art es Haus angfüllt. Plötzlich is nix mehr laar gwesn im Haus, überall, wo se gangen und gstandn is, is eppas von ihr zruckgebliebn.

Im Saal im Oberstock hat se in an Kupferkessl Tannenäst auf die groaße Tafl gstellt, in die Labn hat a klans Tischl eichnmüessn, da hat se die alte dreifueßete Gluetpfanne draufgstellt, und hietz blühn die Barbarazweig drin. Da Bauer is oft die längste Weil davorgstandn, hat in da Labn umagschaut, in Kopf gschüttlt und gebrummt: „Möchtst nit glabn, wie dö paar Zweiglen unser Labn anders machen!“

Aber am meisten haben se se über de mulete Tant Anna gwundert. De hat zerst die Verena angschaugt wie a grauslens Muettermal, aber hat nix gedauert, is zwischn dö zwa Weiberleut a Glachter und Gekutter gwesn in da Kuchl drin und heut e wann hast de dö zwa zammsingen ghört. Da is sogar der Karl in der Labn draußn stehngebliebn, hat glost und a bißl glacht: „Was es alls gibt. – Die mulete Tant Anna und singen!“

Bald hat es Dirndle – zerst die verwünschte Halbschwester und ausglachte Tant – lei mehr  „es Vrenele“ ghaßn. Und da „inwendige“ Bauer hat, wie da Fasching kömmen is, in Hans gschaffn: „Geh aufn Tanz mit ihr, kannst se nit vasumpern lassn bei uns!“ Und da Hans hat se das nit zwamal sagn lassn. – Und amal, mittn beim Holzhackn, hat er die Kliebhackn in an Klotz eichn ghaut, hat se aufgrichtet und zen Karl durchn gsagt: „Eigentlich schad, daß es Vrenele unser Tant is!“

Da is der Karl steif wie a Stock worn, und mit amal is es ihm aufngebrunnen, daß er se umdrahn hat müessn und ins Haus eichn gehen. Bald danach hat ihn da Hans mit da Büchsn übern Waldweg aufngehn gsehn.

Seit der Zeit is der Karl wieder die mehrern Nacht mit da Büchsn beim offenen Saalfenster gsessn, und die Schüss haben grausig in die Nacht ausngepöllert. Und a da Hans, der sunst an gsundn Schlaf ghabt hat, is die längste Weil wachglegn, und alleweil häufiger is er zen Karl ausngangen, und da seind se bade gsessn, haben in vaschniebenen Gartn ausngstiert und ka Wörtl gredet.

Oft amal hat es Vrenele bei da Kammertür ausagschaugt, hat in Kopf gebeutlt und gmant: „Dös zwa, dös seits wohl zwa gspaßige Heilige!“ – Da hat da Hans mit an mühselign Lachn gantwortet: „Gspaßig wohl, Vrenele, aber zen Heilign werds bei uns wohl kaum glangen!“ Und da Karl hat wieder aufs dege Marterle denkn müessn, obn, nebn en Grabnweg, aufn schwarzn Bock und die glüehenden Augn. Noacha hat er die Patronen aus bade Gwehrläuf gezogn und is aufgstandn. „Gehn ma ins Bett!“ und bevor se auseinander gangen seind, hat er no sei Hand aufn Hans sei Achsl glegt: „Ja, mir zwa!“ hat er no gmant.

Und alls andere is offngebliebn, hat lei so untergründig in dö drei Wörtlen umagegrollt wie a Krankhet, de tief drin sitzt und nit ausakann. – Wer werd denn a redn über so eppes, von dem de selber nit genau waßt, was es is, das de lei brennen spürst und vor dem de a Angst und a Lust zegleich hast. Da kinnet a Wörtl a Luftzug sein, der dö Höll hoachauf zen Brinnen  bracht.

*

Seit dem Winter is da Hans alleweil weniger sein Talweg gangen, es Diskuriern und Singen in die Gasthäuser hat ihn nimmer gfreut. Wohl hats ihn immer amal gepackt, er hat es Zeug weckgschmissn, es Sunntiggwand anglegt und furt is a gwesn. Hat aber nit lang gedauert, is er wieder daherkömmen, oftamal is er schon beim Wegkreuz stehngebliebn, als wisset er nit, der wölle Weg der seine is. Und da Vater hat ihm dabei traurig zuegschaugt. „Wird eppa decht nit a Inwendiger wern, unser Hans!“ Und dabei is ihm die Bitternis aufagstoaßn. Er waß, daß es nit guet is, a „Inwendiger“ ze sein. Hast alleweil an Brockn in dir, luspert dir alleweil aner in die Ohrwaschl: „Nutzt e nix! Is e alls umsunst!“ Und es Leben ziecht se wie a groaße Plag dahin, hörst die Vögl nit, siechst ka Blüemle vor lauter eichnlosn und eichnschaugn. Na, es is nit guet, a „Inwendiger“ ze sein. Da war er schoe lieber wie sei Vater, der no in die Siebzg dö Senndin gschwängert hat. Und hietz waß er erst recht niemmer, wer in Hof amal übernehmen sollt, und es war schuen höchte Zeit, daß was weitergang!

Lei da Karl is wie früeher sein Waldweg gangen und is alleweil schattiger worn. Die längste Zeit is er bei dö zwa Marterlen obn gsessn, hat die Reh vürziechn glassn, ohne ze schießn, und hat über die stückle Wand in Bach oachn gschaugt, und die Tiefn hat für ihn a grauslene Anziehungskraft kriegt.

Die letzte Zeit lasst er gar seine Füeß in dö Tiefn oachnglenggern, es is, als tat er lei auf den schwarzn Bock wartn, der ihm den letztn Rempler gabet.

Und in aner Augustnacht, da Monet hat eiskalt hergebrunnen, is da schwarze Bock dagwesn. Aber so, wie er kömmen is, hat ses da Karl nit gedacht. in ihm selber drin is er auf amal aufgsprungen, die Horn vürhergreckt und hat ihm an Schupfer gebn, und da Karl hat aufgjauchzt, wie er in die Tiefn oachngseglt is, wie a Schwalbn, dö se die Flügl gebrochn hat.

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Und hietz steht a dritts Marterle auf dem Platz. Da Hans hats angschaffn. – Seit da Brueder toat is, is er lei mehr a halbeter Mensch. Es fahlt es gache  Aufbrinnen in ihm drin, es Aufbrinnen im Guetn und im Bösn. Und was is denn da a Mensch, wenn gar nix mehr aufbrinnt in ihm drin? Zwar eppes tat wohl noch glüehn unter der Aschn, wanns an Luftzug krieget. Und wenn er es Vrenele sieht, knisterts a bißl.

Und im Hirbest, es is grad a Jahr, daß es Vrenele aufn Hof kömmen is, da sitzen die badn aufn Banklen beim Wegkreuz.

„Hansl“, sagt es Dirndle, „i wer furtgehn, du waßt ja, mit uns zwa tuets ka Guet. – I kinnet leicht amal vagessn, daß i dei Tant bin.“ Und sie hat so a gspaßiges Lachn im Gsicht, von dem man nit genau waß, obs nit a Wanen is. Im Hans drin werds ganz finster mit an Mal. Er sieht kann Weg mehr, in Talweg nit, in Waldweg nit. So wird er halt a, wies da Vater getan hat, lei mehr bis zen Wegkreuz gehn, a bißl stehn bleibn und noacha wieder hinter ins Haus.

Und es Haus wird wieder laar sein, die Tant Anna wieder mulet. Und in Bachofn werd er lassn, wo er is, und wie da Vater weiter die laare Leutstubn hazn.